Von der Totalgleichheit zum Totalitarismus?

De l’égalité totale au totalitarisme ?

From total equality to totalitarianism?

 

Die Welt befände sich in großer Unruhe, heißt es, und es stimmt auch. Aber wann war sie eigentlich richtig ruhig? Gegensätze können zwar zu einem Krieg führen, aber das eine ohne das andere gäbe es ja gar nicht, sowie auch nicht  die Linke ohne die Rechte. Und so ist auch die verkündete Wahrheit immer nur die halbe Wahrheit. Das ist gerade in zeitgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Fragen nicht ohne Bedeutung, wo besonders auch die Erkenntnis, dass jede Wirkung seine Ursache hat, als ein Schlüssel zum Verständnis unserer heutigen Lage zu verstehen  ist. Darum geht es auch in meinem aktuellen, ich gebe zu, etwas langatmigem  Kommentar.

In einem vor Kurzem erschienenen Beitrag im linksliberalen Standard wähnt sich der Schriftsteller Franz Stefan Griebl, bekannt unter dem Pseudonym Franzobel, den wenigen gleichgesinnten  Kulturschaffenden  anzugehören, die sich, seiner Meinung nach, in einer Zeit der „Orientierungslosigkeit“ und „Krisen“ noch zu Wort meldeten. Wo doch schon demnächst ein neuer „Bierkellerredner“ und „Staatsumstürzler“ vor der Tür stehen könnte. Wobei Franzobel, Autor des Kriminalromans Rechtswalzer, zu ignorieren scheint, dass unzählige Umsturz- Befähigte, wenn auch anderer Provenienz, längst da sind.

Jedenfalls, so der einer noch herrschenden politischen Klasse gewiss gefällige Autor, befänden wir uns bereits „auf dem Weg in eine unfreie Gesellschaft“.  Damit hat er wohl recht, nur will er anscheinend die wahren Verursacher und die tieferen Ursachen der bereits um sich greifenden mit totalitären Zeitzündern versehenen Unfreiheit, die bereits seit Jahrzehnten  von selbst ernannten „antifaschistischen“ und, mit Augenzwinkern, auch von angeblich liberalen und konservativen  Kräften bewusst oder unbewusst genährt und vorangetrieben wird, nicht kennen. Kurz gesagt, die dafür Verantwortlichen  ernten jetzt, was sie gesät haben.

Nun hielt also unser Schriftstellergenosse eines Teils einer überaus rechtsallergisch sich gebärdenden Zunft in erwähntem Beitrag eine Standpauke an Kulturschaffende in der er seinen Unmut über zu viel „Ruhe in (der seiner Meinung nach von Rechtspopulisten dominierten) Unruhe“ gehörig zum Ausdruck brachte. Ob sein vermeintlicher Weckruf etwas helfen wird, lässt sich schwer voraussagen, könnten doch einige der von ihm kritisierten Kollegen, möglicherweise einst von abstrakten Gerechtigkeitsidealen inspiriert, die Dinge bereits etwas realistischer und differenzierter sehen.      

Die solchermaßen einsichtiger Gewordenen könnten ja längst erkannt haben, dass es töricht sei, den Mitmenschen etwas lehren oder von etwas überzeugen zu wollen, was sie weder bereit noch willens sind, entgegenzunehmen. Zudem würde eine genauere Ursachenerörterung zur festgestellten Unruhe sie auf etwas weiter Zurückliegendes verweisen,  die Angesprochenen  aber vielleicht einem Diskurs darüber aus dem Wege gehen möchten.

Dieses Zurückliegende schien ja, ideengeschichtlich gesehen, zwangsläufig unvermeidbar, aus neumarxistischer Sicht aber wohl erwartungsgemäß. Es war unter anderem eine durch den Zusammenbruch der NS-Herrschaft möglich gewordene Reaktion auf in gesellschaftspolitischer Hinsicht angeblich Erstarrtes und, vor allem im Westen, zugleich ein Unternehmen zwecks Errichtung eines neuen, schuldbewussten Deutschselbstverständnisses. Dieses Projekt musste daher etwas Progressives sein, doch neigte sich dieses unter dem Einfluss des marxistischen Modesoziologen  Herbert Marcuse auf weite Teile der jungen Generation nach und nach zum Repressiven  hin und am linken Rand auch zum Zerstörerischen und erwies sich in vielen Fällen bald als die andere Seite der faschistischen Medaille.

Der neudeutsche Geist, der da mit US-geheimdienstlicher Hilfe Verbreitung fand und vom Osten gefördert wurde, war alles andere, nur kein deutschfruchtbarer Zeitgenosse: Nicht nur, dass überbordende Freizügigkeit und gelebte Leistungsfeindlichkeit vor allem im Bildungssektor enormen Schaden angerichtet haben, ermöglichten irrationaler Gleichheitswahn und anerzogene Wiedergutmachungspsychose, dass heute naturgegebene Unterschiede und nationales Souveränitätsstreben zugunsten dem auch von Grünen und scheinbar auch von Neoliberalen bevorzugtem Multikulti durch Masseneinwanderung sowie eines naturwidrigen Menschenbildes in einer offenbar missverstandenen Offenen Gesellschaft (die gerade sehenden Auges ins offene Messer rennt), aufgegeben werden sollen.   

Gewiss, es war an dem ursprünglichen  Ruf nach mehr Liberalität an sich nichts Schlechtes festzumachen, aber es war spätestens bei deren auch von realitätsfremden Modepädagogen versuchten Umsetzung in die Praxis schlicht und einfach zu viel des Guten und nach Annäherung neomarxistischer an neoliberale Vorstellungen und vice versa weder umzukehren noch zu reparieren. Man hatte nämlich von Anfang an das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und verteidigt jetzt – durch das einst bekämpfte System im Rücken gestärkt – als gesellschaftspolitischer Konvertit das Malheur mit Haut und Haaren.

Wenn daher Franzobel und andere die „Rechten“, wer immer damit gemeint ist, jetzt im Übereifer ins Visier nehmen und Neigungen der Wähler zu Autoritärem beklagen, so übersehen sie, dass der rechte Populismus ihnen als bereits autoritär und intolerant vorgehende Mitverantwortliche heutiger Verhältnisse ja nur den Spiegel vorhält und aus Sicht kritischer Bürger eben bessere Antworten auf die Herausforderungen der Zeit zu haben scheint. Und auch nichts zu tun haben möchte mit aus den USA importiertem gesellschafts- und kulturpolitischem  Unfug, der allerdings von Kulturschaffenden hingenommen wird. 

Ein Gesinnungsgenosse  Franzobels, dessen Schriftstellerkollege, Europaträumer und Verfechter einer transnationalen Demokratie in einem Zentralstaat, Robert Menasse, in dieser Beziehung auch etwas mundfaul, ist ja ebenfalls der wenig überzeugenden Überzeugung, Nationalisten, bereiteten dem Faschismus den Weg. Die vorerst noch heterogene so genannte nationale Rechte, die damit wohl gemeint ist,  in Menasses Augen also Hauptverantwortliche eines jahrzehntelangen Politikversagens, Verursacherin  heutiger Misere und damit Wegbereiter eines neuen Faschismus? Eine etwas zu einfache Abrechnung, dazu eine maßlose Überschätzung deren Möglichkeiten.

Nein, Verursacherin der heutigen Orientierungslosigkeit und der herrschenden Unruhe ist die heutige nationale Rechte, die gewiss auch nicht fehlerlos ist, sicher nicht, aber durch Versagen der politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen, politisch Begünstigte, gewiss. Die linksliberale von internationalen Gremien gewiss wohlwollend begleitete Ablenkungsstrategie, und eine solche scheint es immer mehr zu sein,  nährt aber durchaus den Verdacht, als hätten sich Geist und Logos von den fanatischen Verteidigern der untergangsgeschwängerten Union der Konzerne losgesagt. So als hätte Jahrhunderte nach Kant die Vernunft keinen Stellenwert mehr.

Nun ist zwar nicht zu leugnen, dass der linke Marsch durch die Institutionen eine Erfolgsgeschichte war (siehe nur die feisten Profile ehemaliger Linksextremisten in ihren hohen Staatsämtern und Luxusrenten) dieselbe, eine Horrorgeschichte, aber von eigenständig Denkenden eher als gesamtgesellschaftlicher Super-Gau wahrgenommen werden dürfte. Also, für die jetzige Lage die erwähnten Rechten alleinverantwortlich machen zu wollen, wäre in gewisser Weise eine Art geistig-moralische Kindesweglegung an einem Abgrund, an dem vor allem Deutschland heute steht, und mit ihm ganz Europa, dessen wahre Erfolgsgeschichte einmal garantiert anders gelesen werden wird als nach EU-Leseart.

Tatsache ist, dass Kapital und Neoliberalismus huldigende Regierungen und einzelne  konservative und bürgerlich-liberale Politiker und Parteien über weite Strecken auf die eine oder andere Art und Weise den Ablauf von Gesellschaft und Politik ganz allgemein  in dieser von Korruption gebeutelten und offensichtlich zusehends mehr totalitär ausgerichteten Europäischen Union unterstützt oder mitgeprägt haben und trotz voraussehbarer Populisten- Gewinne leider maßgeblich weiter bestimmen werden. Mit ihrer ihnen auf Zeit verliehenen desaströsen Verwaltung dieser Skandalunion gehören diese offenbar ohne höheres Ethos agierenden politischen Vasallen und Lakaien der „Global Player“ zu den Hauptverantwortlichen für das angerichtete und zugleich von ihnen ignorierte geistige Elend und das ihm möglicherweise noch folgende ökonomische und soziale. Und, falls Idioten im Westen den Kreml weiter wie bisher bis zur Weißglut reizen sollten, auch noch für ein mögliches Ende Europas.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Von der Totalgleichheit zum Totalitarismus?

  1. Pingback: Von der Totalgleichheit zum Totalitarismus? — Der Friedensstifter

Hinterlasse einen Kommentar